Wohin? Ich fragte mich nach dem Interview
von Lance Armstrong bei Oprah Winfrey immer wieder diese Frage. Wohin? 1994 hat
man mir das Radsportfieber injiziert. Ein Jahr nach dem Sieg von Lance Armstrong
im WM-Straßenrennen von Oslo. Dem einzigen Sieg, der ihm letztlich geblieben
ist. Damals hielt das Satellitenfernsehen Einzug in meinen Haushalt. Und
seitdem ging es los. Indurain endlich live zu sehen war wie der Blick in Gottes
Antlitz. Es folgte das Geilste, was man sich vorstellen kann. Sogar Austria-Boy
Peter Luttenberger mischte mit. Und radelte wie andere Protagonisten zur
Höchstleistung. Sieger der Tour de Suisse! Ich Live dabei! Es kam Bjarne Riis,
und ein Jahr darauf sein Leutnant Jan Ullrich, der Genialste aller. Unvergesslich
das „Quäl Dich Du Sau!“, dass ihm seine Telekom-Teamkollegen über die Vogesen
hinweg zugebrüllt haben. Ein Jahr später stand Marco Pantani nach einem
Einbruch Ullrichs an der Spitze der Tour, dann kam der Chef. So wurde Lance
Armstrong bezeichnet, nachdem er 7 Mal in Folge die Tour gewann. Was folgte,
waren Disqualifikationen. Floyd Landis sprintete 2006 in Rekordgeschwindigkeit
nach Morzine hoch, andere taten es ihm nach. Als Alberto Contador bei Lance
Armstrongs Rückkehr 2009 das Gelbe Trikot nach Paris trug, hatte ich einen
Schlusstrich erwartet. Der King war nochmals Dritter geworden. Doch er hörte
nicht auf. Und blamierte sich im kommenden Jahr. Was nicht weniger schlimm gewesen
wäre. Aber Schwerwiegenderes war im Gange. Die US Antidopingagentur hatte es sich
zum Ziel gesetzt, ein Denkmal zu stürzen. Anders als in Deutschland, wo Jan Ullrich
weitgehend unbehelligt blieb, wurde Lance Armstrongs Laufbahn zerpflügt. Und am
Ende blieb nichts als Schimpf und Schande, während Leute wie Eddy Merckx und Bernard Hinault
weiterhin als astrein hingestellt werden. Man erinnere sich nur an Weltmeister Tom
Simpson! Aber den Franzosen hat es schon immer gefallen, sich von den Amerikanern
den Arsch retten zu lassen und anschließend die Hochnäsigkeit einer Grande Nation zu offenbaren. Worüber man gerne lachen darf, denn bis auf den
Sieg am 14. Juli, der natürlich glorifiziert wird, hatte die Gastgebernation
eher die Statistenrolle bei der Jubiläumstour inne. Chris Froome gewann eindrucksvoll im
Stile alter Champions. Einige davon wurden gestrichen, andere hält man am Leben
obwohl man weiß, dass sie mit dem gleichen Maßstab gemessen ebenso untergehen
müssten. Zur 100. Tour wurden alle Finisher eingeladen. Armstrong nicht. Zugrunde
gerichtet von den Klingen seiner Scharfrichter. Und doch noch immer ein Mensch.
Jeder Massenmörder wird heutzutage gnädiger hofiert. Solange er nicht
Lance Armstrong heißt. Mein Held. Auch heute noch!
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