Dunn Loring

Dieser Roman ist ein Experiment. Er handelt von der Suche nach Sinn, Glück und Liebe aus der Sicht eines 21-jährigen, dessen Welt am Abgrund steht.

LESEPROBE

"Liebe ist trügerisch. Liebe ist Selbstaufgabe. Liebe ist ein Irrtum. Denn Liebe ist nicht existent."

I. Kapitel

1

Es war wieder Tag geworden in dieser Welt die ich nicht verstand. Die Menschen krochen aus ihren Betten und waren bereit ihr Leben fortzusetzen. Ob sie nun glücklich oder traurig waren, taten­durstig oder niedergeschlagen, alle waren sie bereit. Denn die aufsteigende Sonne war das Signal, den Tag in Angriff zu nehmen. Ich verspürte nur Gleichgültigkeit, als ich meine Schlafstätte verließ. In meinem Leben war weiterhin finstere Nacht. Als ich meinen Kopf unter das kalt herunterlaufende Wasser hielt, versuchte ich mich zu erinnern, was letzte Nacht geschehen war. Doch so sehr ich auch meine Gedanken durchkämmte, es war alles wie aus­gelöscht. Es waren nur kleine Begebenheiten, an die ich mich ent­sinnen konnte, doch ich konnte ihnen keinerlei Bedeutung zumessen. Nichts war mehr von Bedeutung. Nichts das einen Sinn erkennen ließ. Ich war am absoluten Nullpunkt angelangt. Aber ich wusste, dass ich diesen Weg gehen musste. Ich konnte dieses Fahrwasser nicht ver­lassen. Ja, ich wollte es gar nicht. Ich war dazu verdammt, diese Rolle zu spielen. Mit zittrigen Händen öffnete ich den Toiletten­schrank und blickte in den Spiegel. Ich erschrak. Dieses Gesicht konnte unmöglich mir gehören. Es war ein Abbild der totalen Destruktion. Die Haut war aufgedunsen und meine Augen blutrot unterlaufen. Unter ihnen hatten sich gut drei Millimeter breite Ringe gebildet. Ich erinnerte mich, wie meine Mutter sagte, ich sei einmal ein hübscher Junge gewesen. Na, das musste ziemlich lange her sein. Zumindest so lange, seit mein Gehirn anfing zu denken und diese Gedanken entwickelte, die mir schön langsam den Verstand raubten. Manchmal hätte ich gerne einen Weg gewusst, wie ich mir dieses Gehirn aus dem Schädel reißen könnte. Ich begann zu grinsen. Ich hatte zwei verschiedene Arten von Grinsen. Die eine war, wenn mich etwas belustigte und bei der anderen war mir zum Heulen zumute. Um den Unterschied zu erkennen, brauchte man nur in meine Augen zu blicken. Dieses Grinsen bedeutete Zweites. Ich hatte verlernt zu weinen. Die Welt die mich umgab und wie ich sie sah machte mich kalt. Ich entwickelte eine Abscheu gegenüber jeder Norm, jedem gesellschaftlichen Zwang, gegenüber jeder Art von Einschränkung. Und leben in einem System bedeutete Einschränkung. Ohne mich jemals dazu deklariert zu haben war ich Anarchist. Aber nicht aus Überzeugung. Mit Politik hatte ich nichts zu schaffen. Ich suchte einfach nur die Freiheit, die ich nicht bekommen würde. Das war mir klar. Ich war verwirrt, auf der Suche nach irgend­etwas, ohne zu wissen was es war. Ich schloss den Toilettenschrank. Es war an der Zeit das Haus meiner Eltern wieder zu verlassen. Zu essen brauchte ich nichts. Der Weißwein, den ich trank, hatte genug Kalorien. Ich hatte einmal gelesen, dass es möglich war sich mit kalorienreichen Getränken am Leben zu erhalten. Ich konnte das damals nicht glauben. Jetzt glaubte ich es. Es war Samstag, kurz nach Mittag. Na schön. Ich steuerte die nächste Kneipe an. Es würde spät werden.

2

Ich hockte seit über zwei Stunden an der Bar und machte mir schön langsam Gedanken, wann der Alkohol endlich zu wirken be­ginnen würde. Wenn man am Vortag betrunken war, dauerte es immer besonders lange, dafür kam der Absturz umso schneller. Ich hatte schon lange genug damit herumexperimentiert, um das zu wissen. Die Phase des Antrinkens war die Schwierigste. Die Krallen des Katers kratzten unerbittlich auf und ab und jeder einzelne Schluck bedurfte großer Überwindung. Aber man musste da einfach durch. Wenn man es nicht tat, konnte man gleich zu Hause bleiben und sich in seiner Kammer verschließen. Denn nüchtern war diese Welt nicht zu ertragen. Nüchtern bedeutete alles bewusst erleben. Den ganzen Horror rings herum. Nein, nüchtern sein kam nicht in Frage. Natürlich wusste ich, dass der Alkohol meine Probleme nicht lösen würde. Er war nur ein Versteck, in dem man sich für kurze Zeit verschanzt halten konnte. Doch ich lebte ohnehin nur in den Tag hinein, ohne jeglichen Weitblick. Ich hatte keinerlei Zukunfts­pläne oder Illusionen. Die Welt war kein Platz für Illusionen. Die Welt hatte alles geraubt. Auch meine Illusionen. So gesehen war der Alkohol recht hilfreich. Wenn auch kurzlebig und mit Tücken verbunden. So saß ich also da und kämpfte mit meinem Magen darum, wer wohl der Stärkere sein würde. Irgendwann gab er dann auf und ließ mich gewähren. Ich war der Einzige, der an der Bar saß. Auch an den Tischen waren nur vereinzelt Leute zu sehen. Normalerweise war das Lokal um diese Zeit ziemlich voll. Dann sah ich ein Plakat, das an der Eingangstür befestigt war. In meiner Heimatstadt war ein Fest im Gange, welches alljährlich zum Schulschluss abgehalten wurde. Anscheinend waren alle dort gerade am Feiern. Ich hatte nichts zu feiern, also blieb ich sitzen. Es tat gut hier alleine zu hocken, sich den Zigarettenqualm anzusehen und in seinen Gedanken zu versinken. Es war so als wäre die Zeit stehengeblieben und man bereitete sich auf eine lange Reise vor. Aber das Radio erinnerte dann wieder daran, das dem nicht so war. Also blieben wiederum nur die Gedanken übrig. Ich fragte mich mit großer Ernsthaftigkeit nach dem Sinn meines Lebens, meiner Existenz. Doch soviel ich auch darin herumwühlte, so sehr ich auch alles abwog, es gab keine Antwort auf diese Frage. Es gab auf nichts mehr eine Antwort. Nur eine. So konnte das alles nicht weitergehen. Aber die Lösung schien weiter weg denn je. Sie war bereits in unerreichbare Gefilde vorgedrungen. Ich bestellte noch ein Glas. Vielleicht würde mir das mehr Aufschluss auf meine Fragen bringen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hier kannst Du meinen Post kommentieren: