Wer sah sie nicht? Die legendären Verfilmungen über den Vietnam-Krieg. Oliver Stone’s „Platoon“, Stanley Kubrick’s „Full Metal Jacket“ oder Francis Ford Coppola’s „Apocalypse Now!“. Filme, die sich kritisch mit der Vietnam-Operation der Vereinigten Staaten von Amerika während der 60er und 70er Jahre auseinandersetzten. Mit teils drastischen Bildern. Doch nichts am Set eines Filmes kann Jenes wiedergeben, was sich tatsächlich ereignet hat. Am 16. März 1968 beispielsweise, und das ist einer der wenigen Fälle, die tatsächlich bekannt wurden, schaute die Sachlage wesentlich anders aus. Da marschierte der kleine Junge von nebenan, der nette Sohn der Nachbarin aus Pittsburgh, San Diego oder Tallahassee schwerbewaffnet in ein völlig friedlich lebendes Dorf ein und ließ binnen weniger Minuten einen Sturm über hunderte Menschen hereinbrechen, was ich seit den Bildern vom Holocaust und Srebrenica nicht mehr gesehen habe. Über 500 Menschen fielen einer völlig blutrünstigen US-Soldateska zum Opfer. Darunter die Hälfte Frauen, Greise und Babys. Mir kommen beim Betrachten jener Bilder, die völlig unberührt aufgenommen wurden, selbst nach über 40 Jahren noch die Tränen. Nackte Menschen, vergewaltigt, verstümmelt, tote Tiere, Kinder, kaum älter als meine zweimonatige Tochter, aufgespießt. Vietcong war vermutet worden. Ein Dorf an Menschen, die einfach nur leben wollten, war gefunden worden. Kein einziger Gegenschuß. Im Blutwahn wurden selbst alle Tiere des Dorfes getötet. Vermutlich auch Vietcong. Einzig eine eintreffende US-Helikoptertruppe erkannte den sich gerade abspielenden Wahnsinn und nötigte unter vorgezogener Waffe die eigenen Kameraden wenigstens ein paar Kinder ungeschoren davonkommen zu lassen. Sie wurden ganze 30 Jahre später dafür ausgezeichnet. Und nachdem man all diese Menschen sinnlos vernichtet hatte, kam die übliche Vertuschungstaktik zum Einsatz. Ganze 18 Monate lang. Bis endlich die Fotos des „Embeded Reporters“ ihren Abnehmer fanden. Und sich aufgrund landesweiter Entrüstung die Friedensbewegung begründete. Das Massaker von My Lai war der Wendepunkt einer grausamen Alleinherrschaft des Westens in Südostasien. Es folgten weitere, noch größere Sterben. Die Killing Fields in Kambodscha unter Pol Pot sind ein ewiges Zeugnis dafür. Dafür, dass der Mensch jedem Tier eine Beleidigung zufügt, wenn er es Bestie nennt. Weil er wesentlich schlimmer handelt. Die Mörder des Massakers von My Lai kamen natürlich davon. In irrwitzigen US-Militärprozessen. Bleibt die Hoffnung, dass den Tätern die Gesichter der Toten bis ins Grab verfolgen. Und darüber hinaus. In einer Hölle, wo ich gerne Brennmeister wäre.