Was treibt jemanden auf die Gipfel dieser Welt? Eine Frage, die letztlich nur der betreffende Bergsteiger selbst beantworten kann. Ego-Trip? Suche nach Freiheit? Erweiterung des Bewusstseins? Gründe für das menschliche Handeln zu suchen, gibt es immer reichlich. Nicht zuletzt begründet sich darauf der Beruf des Psychologen. Was dem interessieren mag, der es glaubt. Ich richte mich eher nach dem wahren Grund. Dem unermesslichen Abenteuer, dem jeder Gipfelsturm Antriebsfeder ist. Wollen wir dieses Feld ergründen, bedarf es eines Gangs in die Geschichte. In die Zeiten eines George Mallory, der sich 1924 auf den Weg gemacht hat, den Everest zu besteigen. Wo ist er gewesen? Seine Leiche wurde gefunden. Knapp über 8000 Meter. Was viele Fragen aufwirft. Ist er hier und dort gestorben? Oder von einem anderen Punkt aus abgestürzt? Vielleicht sogar vom Gipfel weg? Während ich diesen Artikel schreibe, habe ich nicht das Handbuch der Bergsteigerei dabei. Ich kann daher auch momentan keinerlei Zahlen und Daten korrekt angeben. Ich schreibe aus Gefühl. Was mich selten bis nie getrogen hat. Möge mich jener korrigieren, der sich am historischen Datum stört. Er mag es schwer genug haben. Denn wenn ich meine eigene Expedition ins Unerforschte starte, beginne ich mit der Erstbesteigung der Eiger Nordwand. Wo es Dramen gab, die selbst Shakespeare nicht größer in Szene setzen konnte. Berühmt die erste Seilschaft, die es schaffte. Mit dem Tausendsasser Heinrich Harrer, der mit seinen „7 Jahren in Tibet“ noch weltberühmt wurde. Nach dem Eiger hatten die Alpen keinen Anreiz mehr. Und man schielte nach mehr. Patagonien kam da vorerst gar nicht in Frage. Die Aufmerksamkeit ruhte wieder auf dem größten Gipfel der Welt. Mallory war nicht heimgekehrt. Aber hielt das andere auf? Nach dem fürchterlichen 2. Weltkrieg sah sich die deutsch-österreichische Bergsteigerei wieder imstande, neue Expeditionen in Angriff zu nehmen. Die Schuld am Krieg wurde ausgeblendet. Bonzen wie Luis Trenker glitten ohne größeren Schaden in die neue Ordnung hinweg. „Mitläufer“. Eine Schande. Aber bleiben wir beim Sport. 1953 stand die Bezwingung des Nanga Parbat an. Drei Jahre nach der legendären Erstürmung der Annapurna, dem ersten 8.000er, der Maurice Herzog sämtliche kleine Extremitäten gekostet hatte. Hermann Buhl begab sich Richtung Gipfel, verlor alles, was an Mensch und Material verfügbar war und erreichte nach eigenen Angaben den Gipfel. Im Abstieg überlebte er eine Nacht stehend auf 8000 Metern im Notbiwak. Buhls Erfolg am Nanga Parbat wurde angezweifelt. Weit über seinen Tod, den er nur kurz später am Broad Peak gefunden hatte, hinaus. Heute wissen wir es besser. Dank einer Expedition, die seinen Pickel am Gipfel wiederfand. Aber das ist nicht die Geschichte, die erzählt werden will. Die beginnt nämlich Ende der 70er mit einem bärtigen Mann, der alles in Frage stellt. Der sich mit seinem Kompagnion Peter Habeler auf den Weg macht, um Hillarys Rekord zu brechen. Ohne Sauerstoff. Es folgten alle übrigen 13 Achttausender. Mit oder ohne Begleitung. Und doch ist Messner für mich nur eine Fußnote der Geschichte. Weil es bei ihm, mit einer Ausnahme, zu glatt gelaufen ist. Nicht so bei Joe Simpson. Gemeinsam mit Simon Yates entflieht er der Diktatur des Felses, der sich mittlerweile Reinhold Messner bemächtigt hatte. Nichts war mehr gültig, außer Reinhold. Und dann stiegen diese beiden Burschen, leicht besoffen vom Vortag, und doch voll Tatendrang auf einen Berg, den nur einer wieder aufrecht verlassen sollte. Ich werde die Erzählung von Joe nicht wiederholen. Wer sie hören will, kauft sich sein immens spannendes Buch, dass auch verfilmt wurde. Nein, ich will mit Simpson auf etwas ansprechen, was uns alle betrifft. Wir dürfen nicht aufgeben. Egal, in welch misslicher Lage wir uns auch befinden. 1000 Geschichten der Bergsteigerei warten auf Euch. Von Krakauer, der 1996 Touristen auf den Everest bringen wollte und mit einem Haufen Leichen konfrontiert wurde, von den beiden Speedclimbern aus Bavaria, die Yosemite erobern wollen, von Gerlinde Kaltenbrunner, die auch den K2 schafft. Nur ohne Applaus. Der im übrigen dem wenigsten Akteur des Alpinismus zu teil wird. Was mitunter auch ein Vorteil sein kann. Denn nur allzuoft hat das Rampenlicht einen Menschen schon zerstört. Und seine Ideale gleich mit.