Donnerstag, 13. Mai 2010

Echnaton, der Ketzerkönig

Eine der faszinierendsten Epochen in der Menschheitsgeschichte stellt sicherlich die Pharaonenzeit im alten Ägypten dar. Und es ist jedem nur zu empfehlen, sich einmal bei einer Reise entlang des Nils auf die Spuren dieser zwar untergegangenen, aber doch überall präsenten Kultur zu begeben. Atemberaubend die Monumentalbauten des Alten Reiches unter Herrschern wie Djoser, Cheops oder Chephren. Überwältigend die Tempel, die während der 18. und 19. Dynastie im Neuen Reich errichtet wurden. Unter so klangvollen Namen wie Thutmosis, Hatschepsut, Sethos oder Ramses. Stets im Mittelpunkt dieser Überlebenswerke aus Stein stand der allmächtige Totenkult, der in Ägypten zelebriert wurde. Heute mag es völlig irrational erscheinen, daß sich ein ganzes Volk für die Errichtung des Grabmals eines Königs einspannen ließ. Oder für den Bau riesiger Tempelanlagen, die einzig der Huldigung der Götter und dessen gottgleichen Vertreters auf Erden dienten. Aber in einer Zeit, wo wir alles zu wissen glauben, alles wissenschaftlich erklären können, ist kein Platz für Wahrnehmungen jenseits dieser Welt. Für die alten Ägypter hingegen stellte die Religion, der feste Glaube an ein jenseitiges Leben, ein unumstößliches Faktum dar. Der Tod war sozusagen ihr Lebenselixier. Mit festen, unumstößlichen Abläufen. Mit einer ganzen Heerschar an Göttern, die für alles sorgten, was dies- und jenseits der Nilufer von Nöten war. Mit dem Sonnengott Amun-Re an ihrer Spitze. Bis es schließlich um 1350 v. Chr. zu einer ungewöhnlichen Reform kam. Der neu inthronisierte Pharao Amenophis IV. brach mit allen Regeln. Entmachtete die immer einflußreicher gewordenen Hohepriester, zog aus der Hauptstadt Theben aus, errichtete beim heutigen Amarna eine neue, auf dem Reißbrett entworfene Metropole und setzte Amun-Re und seine Untergottheiten ab. Der Pharao nannte sich von nun an Echnaton und erhob den mit einer Sonnenscheibe dargestellten Aton zum Staatsgott, der nur noch wenige andere, kleinere Gottheiten neben sich dulden mußte. Die verhaßten Priester wurden aus den Tempeln verjagt und Echnaton fungierte von da an gemeinsam mit seiner Gemahlin Nofretete als direktes Verbindungsglied zum Jenseits. Heute wird das Leben dieses ungewöhnlichen Herrscherpaares sehr kontrovers diskutiert. Was zu einem Gutteil daran liegt, daß die geschichtlichen Fakten zu dieser Zeit äußerst dürftig sind. Vieles davon ist reine Spekulation. Was Echnaton und seine wunderschöne Nofretete so interessant macht ist die Tatsache, daß sie sowohl eine religiöse, wie auch eine künstlerische Revolution losgetreten haben. Niemals zuvor wurde im alten Ägypten der Pharao so natürlich, so wenig beschönigend dargestellt. Niemals zuvor war eine Hauptfrau wie Nofretete so gleichberechtigt. Doch wer nun glaubt, dieser Pharao sei ein Humanist, ein gütiger Mensch gewesen, der irrt vermutlich. Mit den religiösen Umwälzungen kam es zu Verfolgungen, zu Enteignungen, zur sogenannten „Schwarzen Periode“, geprägt von schwacher Außenpolitik und innerer Zerrissenheit, die diese Kulturrevolution nach sich zog. Was ihm auch den Beinamen „Ketzerkönig“ eintrug. Vielmehr ließ sich das spirituelle, gottgleiche Königspaar anbeten und bildete mit Aton eine Art Dreifaltigkeit. Die alten Götter wurden verboten. Um Echnaton geschichtlich korrekt zu beurteilen, mangelt es wie gesagt an wesentlichen Fakten. Darum sollte man es sich auch ersparen. Genauso wie die Spekulationen, die mit seinem Tod und seiner Nachfolge einhergehen. Oft ist ein Mysterium ein weitaus befriedigender Zustand als eine Gewißheit, die sich mitunter ernüchternd darstellt. Fest steht eines. Nach seinem Tod kehrte Amun-Re zurück. Etablierte sich wieder der alte Glaube. Und der alte Priesterklüngel. Ein sehr junger Pharao, vermutlich Echnatons Sohn, bestieg letztlich den Thron. Für sehr kurze Zeit. Ein sehr unbedeutender König. Verstorben oder getötet in sehr jungen Jahren. Und doch heute weltberühmt. In einer frühen Hieroglyphe enthält sein Name noch den Beinamen des Gottes Aton. An seinem Totenschrein wird dann bereits wieder Amun gehuldigt. Sein Name war Tut-Ench-Amun. Und spätestens mit seinem Tod wurde auch die Hinterlassenschaft des Ketzerkönigs getilgt.