Donnerstag, 31. März 2011

Tod am Südpol

Wer kennt es nicht? Hermann Melvilles Walfängerdrama „Moby Dick“. Den Kampf zwischen dem Versucher (Moby Dick) und dem Eiferer (Kapitän Ahab). Die Jagd, die von der idyllischen Insel Nantucket in die unendlichen Weiten des Ozeans führte. Und bis auf einen (Ismael), alle ins Verderben riß. Dieser unvergleichliche Roman der Weltliteratur läßt viele Interpretationen zu. Für mich persönlich stellt er eher ein Gleichnis dar. Das Streben nach dem Unbegreiflichen, dem Unfaßbaren, dem jenseits aller Vorstellungskraft liegenden, daß einen hohen Preis fordert. Einen Preis, den viele Pioniere unserer Menschheit haben zahlen müssen. So auch ein gewisser Robert Falcon Scott, dessen Geschichte eine der tragischsten der Neuzeit ist. Berühmt geworden durch das erschütternde Tagebuch, daß Suchmannschaften gefunden haben. Scott machte sich im Jahre 1910 von Southampton aus auf, um als erster Mensch den Südpol zu erreichen. Noch nicht wissend, daß ihm der Entdecker der Nordwestpassage, Roald Amundsen, bereits auf den Fersen war. Während der emotionale Brite auf einer bereits teilerkundeten Strecke sein Glück versuchte, setzte der pragmatische Norweger bei seiner Routenwahl alles auf eine Karte und vertraute auf altbewährte Mittel, die ihm bei früheren Expeditionen schon zum Ziel geführt hatten. Der Engländer erlebte auf dem Weg zum Pol ein Fiasko nach dem anderen. Die mitgebrachten Motorschlitten funktionierten nicht. Die Zugponys verendeten im eisigen Polarklima. Bei Amundsen lief hingegen alles nach Plan. Und kurz vor Weihnachten 1911 erreichte er mit seinen Gefährten und Schlittenhunden das Ziel seiner Träume, während sich Scott mit seinen Leuten bereits zu Fuß fortbewegen mußte. Und einen Monat später völlig entkräftet die norwegischen Flaggen am Pol erblickte. Von da an wußte er, daß er hier sterben würde. Und so kam es auch. Nach gnadenlosen Gewaltmärschen durch Schneestürme kam die Expedition schließlich zum Erliegen. Und ergab sich ihrem Schicksal. Ganze 18 Kilometer vom rettenden Vorratsdepot entfernt. Noch heute treibt es mir die Tränen in die Augen, wenn ich die letzten Tagebucheinträge des britischen Offiziers lese. Der Südpol wurde zu Scotts „Moby Dick“. Doch sein heroischer Kampf rührte die Menschen. Bis heute. Niemals wieder blieb ein „Zweiter“ so eindrucksvoll im Gedächtnis wie Robert F. Scott. Auf jeder Karte der Antarktis steht sein Name gleich neben dem von Amundsen. Sozusagen als ewiger Tribut. Und der Norweger? Es gab nicht Wenige, die ihn persönlich für Scotts Tod verantwortlich machten. Was natürlich Quatsch ist. Doch der Makel blieb. Trotz seiner zahllosen weiteren Erfolge in den Extremregionen unserer Erde. So gesehen war Scott Amundsens „Moby Dick“.



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