Sonntag, 5. Juni 2011

Aufstieg zum Mont Ventoux

Der Aufstieg der Aufstiege. Der große Steinhaufen inmitten der Provence. Der kahle Berg. Und Armstrong hat es 2009 allen Unkenrufern nochmals gezeigt. Doch mit dem Mont Ventoux ist auch eine andere, weitaus bittere Geschichte verbunden. 1967 kam der ehemalige Straßenweltmeister Tom Simpson kurz vor der Gipfelpassage zu Tode. Fiel einfach vom Rad. Nach tagelanger Einnahme von Amphetaminen. Gemischt mit jeder Menge Schnaps. Zu Zeiten, wo Doping noch nicht geächtet war. Wo sich die Fahrer während des Rennens noch Stimulationsspritzen setzten. Erst Jahre später kam es zum Umdenken. Und seitdem steht der Radsport an erster Stelle bei den Dopingfahndern. Eine ganze Sportart in Geiselhaft der Moralapostel. Nirgends sonst wird so hart und rigide kontrolliert wie bei den Helden der Landstraße. Und dadurch werden auch immer wieder Sünder entlarvt. Mit dem Ergebnis, daß Sendeanstalten ihre Berichterstattung aufgaben oder stark einschränkten. Der Radsport steht am Pranger. Als willfähriges Bauernopfer. Die Sportler werden verfolgt. In Italien sogar gejagt. Man würde sich wünschen, daß die dortige Justiz einen solchen Eifer bei der Ermittlung gegen das organisierte Verbrechen an den Tag legen würde. Oder gegen einen Ministerpräsidenten, der jeden Widerspruch im Keim ersticken läßt. Stattdessen durfte der Spanier Valverde bei einer der letzten Tour de France Austragungen nicht teilnehmen, weil sie ein paar Kilometer auch auf italienischen Boden führte. Und er dort zur Persona non grata erklärt wurde. Der Staatsbesuch vom libyschen Revolutionsführer Gadaffi stellte dagegen kein moralisches Problem dar. Lang lebe die Scheinheiligkeit! Doch hält man sich die Bilder der letzten Tage vor Augen, erkennt man, wie populär dieser Sport nach wie vor bei den Menschen ist. Mit welchem Fanatismus die Massen ihre Helden anfeuern. Unweigerlich kommen die Erinnerungen an alte Tage zurück. An die Auftritte von Hinault, Indurain oder Pantani. Den Protagonisten der führenden Radsportnationen vor der Ära des Texaners Lance Armstrong. Doping wird es im Leistungssport immer geben. Damit muß man sich als geneigter Zuschauer abfinden. Wie sonst sind die schier grenzenlosen Erfolge der Chinesen bei ihren Heimspielen 2008 zu erklären? Doch nur deshalb, weil sie den Fahndern immer einen Schritt voraus waren. Und sich an Experimente a la Gendoping heranwagten. Nun, wenn man bedenkt, was ein Menschenleben in der Volksrepublik wert ist. Nur hat da niemand Zeter und Mordio geschrieen. Haben keine Sender ihre Berichterstattung abgebrochen. The show must go on. Vor allem, wenn man was für den eigenen Seelenfrieden getan hat. Sich ein Alibi verschaffte. Indem man den Radsport in die Pfanne gehaut hat.

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